Es war am frühen Abend und ich war erledigt von der Tagesarbeit, aber ein guter Freund überredete mich, doch noch den Weg auf mich zu nehmen. So standen wir gegen 19 Uhr vor Portal I des Berliner Stadtschlosses und blickten an der angestrahlten Fassade empor. „Sie werden staunen, Herr Wenger, wirklich!“ Ich glaubte nicht daran, dass es möglich sein könnte hinaufzugelangen … Hatte man nicht auf „Voranmeldung“ und „Zeitfenster“ umgestellt? Im Zwischentrakt gab es eine kleine Schlange und eine Einlassdame. Ob wir denn ein Ticket, ein Zeitfenster gebucht hätten? Ich sah die Chancen schwinden, machte innerlich bereits kehrt. Mein guter Freund verströmte seinen ganzen Charme, ein Lächeln huschte über das Gesicht der Dame und schon standen wir in einem Lastenaufzug, der uns und einige weitere Neugierige langsam emporhob. Meine Müdigkeit war einer kleinen Anspannung gewichen. Oben öffnete sich die Tür und nach wenigen Schritten standen wir im Freien. Eine Brise erfasste uns, durchaus erfrischend. Ich traute meinen Augen kaum. Direkt vor uns erhoben sich in mystische Lichterflecken getaucht das Kuppelwerk und die bizarre Dachlandschaft des Berliner Doms. Mir stockte der Atem. Ganz unwirklich. Erst nach einigen Augenblicken konnte ich mich fassen und ich schaute in das vor Vergnügen grinsende Gesicht meines Begleiters. Wahrlich, er hatte nicht zu viel versprochen. Langsam wagte ich mich an die Brüstung. So hoch oben! Am Mittag hatte ich von unten die winzigen Köpfchen der Besucher auf dem Schlossdach beobachtet und mich gefragt, „wie ist wohl die Luft da oben?“ Wo vor wenigen Stunden noch Menschenmassen strömten und unterschiedliche Musikanten ihre Instrumente erklingen ließen, war nun völlige Ruhe eingekehrt. Wie durch Watte hörte man das Rauschen der Wasserspiele im verlassenen Lustgarten da unten. Wie ein Schattenspiel wirkte die langgestreckte, in fahles Licht getauchte Kolonnade des Alten Museums. Die Linden waren hell erleuchtet, doch kaum Verkehr und noch weniger Menschen. Weit entfernt, wie ein Mikado, das Brandenburger Tor. Dann bogen wir um die Ecke und fast unmittelbar vor uns ragte plötzlich die Schlosskuppel auf. Ganz in warmes Licht getaucht, wirkte sie wie ein Abbild ihrer selbst. Wirkmächtig hob sich ihre straffe Silhouette vom mittlerweile tintenschwarzen Nachthimmel ab. Der Blick zum Gendarmenmarkt, zum Schlossplatz auf der Ostseite bis zum Roten Rathaus offenbarten erneut, hier war die Mitte, hier ist die Mitte, um die sich diese ganze Stadt dreht. Ein unvergesslicher Eindruck!

Vielen Dank Hans-Jörg Strittmatter, der mich hierzu „überredet“ hatte!