Wirklich, sie hat all das, was einen Star ausmachen kann … Sie ist ewig jung, bezaubernd schön und sie ist rätselhaft … Ihre Herkunft ist trotz jahrzehntelanger Forschung noch immer nicht geklärt. Der Raum um Starnberg, die Region südlich von München, soll ihre Heimat sein. Zumindest ist bekannt, wem wir sie zu verdanken haben: Ignaz Günther, hofbefreiter Bildhauer, im dritten Viertel des 18. Jahrhunderts ansässig in München. „Hofbefreit“ meint, dass er keinen Zunftzwängen unterworfen war. So wollte ihn der bayerische Kurfürst an der Isar halten, denn eines war ihm – und auch vielen anderen – klar: Hier handelte es sich um ein Genie. Entstanden ist die schöne Unbekannte laut Günthers Datierung jedenfalls 1755. Wohin sie reiste, nachdem sie seine Werkstatt verlassen hatte, welche Kirche sie zieren sollte, mit wem sie ursprünglich vereint war … Alles unklar. Heute wird sie jedenfalls im Museum Starnberger See in Starnberg, einem der schönsten Museen Oberbayerns, recht unprätentiös in einer Nische präsentiert. Die kleine, schlichte, reinweiß getünchte Apsis gehörte zur Kapelle des Lochmannhauses, einem großen, einst bäuerlichen Anwesen, dem Ursprungsbau des Museums. Die ruhige, leicht gerundete Folie tut ihr gut. Sie schwebt in ihrem graziösen Habitus frei vor der bergend gebogenen Wand. Die Halterung betont das Moment des Schwebens. Ursprünglich war sie wahrscheinlich gerade im Begriff, sich kniend auf einer Wolkenbank niederzulassen. Gleichzeitig begibt sie sich in eine labile Drehung, ihren rechten Arm rückwärtsgewandt, ihren linken in einer Gegenbewegung einwärts gewandt, die Hand zum Herzen geführt. Ihr Gewand schwingt sich in die Drehung ein und unterstreicht das Pirouettenhafte ihres Auftretens. Den Kopf neigt sie vor etwas Fernem, Größerem. Ihr Inkarnat zeigt scheue Röte und stille Freude zugleich … Bei aller Geziertheit, die sie im Rokoko verortet, ist ihr etwas Neues eigen. Ihre Pose, ihre Gestik ist nicht mehr nur Affekt, sondern erlebtes-erlebbares Gefühl. So zeigt sich in ihr der Beginn der Empfindsamkeit. – Für mich ist sie – obwohl ein Fragment – vollkommen!