Zuerst waren es die wirkmächtigen Plakate, die mir ins Auge gestochen sind: „Sammlung Neess – Museum Wiesbaden“. Seitlich erstrahlte glanzvoll inszeniert eine weibliche Büste, die zu den Hauptwerken des französischen Art Nouveau gerechnet wird: Alfons Muchas „La Nature“. Das zarte Silberantlitz wird von müd wallenden Haaren umrahmt, die in langen Strähnen die silbrigen Brüste umspielen. Die Augen niedergeschlagen, der sinnliche Mund bebend, die Stirn diademgekrönt … Dies Werk besitzt eine unerhört faszinierende, geradezu mystisch zu nennende Ausstrahlung. Ein Hingucker – auf einem Plakat wohl Absicht. Ferdinand Wolfgang Neess – so ergab die Zeitungsrecherche – hatte seine berühmte, aber nie gezeigte Sammlung von internationalen Jugendstil-Objekten aus allen Zentren der Künste dem Museum Wiebaden geschenkt. Und die Stadt Wiesbaden inszeniert diese Sammlung in einem halben Stockwerk ihres Museums. Der Entschluss war schnell gefasst. Ich musste hin! Nach einigen Jahrzehnten betrat ich erstmals wieder den von der massigen Sitzstatue Goethes „bewachten“ Kunsttempel. Das Eingangsoktogon schimmerte wie eh und je in seiner mosaikenen Pracht. Über eine Seitentreppe gelangten wir in die Beletage. Die Tür direkt gegenüber, der Raum dahinter in dämmrigem Licht. Als wir ihn betraten, waren wir sofort verzaubert. So rundum ästhetisch, gelungen inszeniert hatte ich die Werke des Lothringers Loius Majorelle und seiner Mitstreiter noch nie gesehen. Alles, alles erstrahlte in wunderbarer Beleuchtung, das Mahagoni, die vergoldeten Bronzebeschläge, die Lampen von Jacques Gruber … Majorelles Linienkunst ist in allen Varianten zu sehen. So etwas hatten wir selbst in Nancy noch nicht erlebt. Dazu gesellt sich erlesenes Kunsthandwerk und eine geradezu wundersame Auswahl von Gemälden (fast) vergessener Künstler, aber auch Höhepunkte des europäischen Jungendstils, des Symbolismus und der präraffaelitischen Malerei … Und in einer Koje prangt doch tatsächlich Franz von Stucks legendäre, schwül-lasszive Sphinx in ihren kühlen Farben … Was kann hier noch kommen, dachten wir und kamen in den folgenden Sälen aus dem Staunen nicht mehr heraus …

Wer wissen möchte, was es noch zu sehen gibt, lese die folgenden Beiträge der Serie „Wiesbaden – Sammlung Neess“.